Prof. Dr. med. Friedrich-Christian Rieß, Chairman & Chefarzt Herzchirurgie, Albertinen Herz- und Gefäßzentrum
Ein Herzchirurg soll die Kraft und auch die Demut haben, zu erkennen, wo Grenzen sind. Und er soll natürlich Empathie haben für den Menschen. Das ist ja keine Sache, ist ja kein Uhrwerk, was man repariert, sondern da ist ein Mensch dahinter und ein Mensch mit großen Ängsten. Gerade Menschen, die in eine Herzoperation reingehen, haben Ängste. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man da diese Ängste auch mit aufnimmt und sich bemüht, auf den Menschen auch einzugehen.
Denn Diakonie heißt ja, den Menschen dienen. Und ich sehe mich auch hier als jemand, der dem Patienten und dem Leben dienen soll. Und auch dieses Bild in einem Herz- und Gefäßzentrum, dass dort verschiedene Fakultäten, Kardiologie, Herzchirurgie, Kardioanästhesie, bildgebende Verfahren, Pflege und so weiter, angeordnet sind um den Patienten. Und wie alle bemüht sind, um diesen Patienten in ein selbstbestimmtes, wieder gutes Leben zurückzubringen, das ist genau das, was Diakonie eigentlich heißt.
Die Vision, die viele haben, dass es in Zukunft nur noch einen Herzarzt geben wird, der alles macht, Bypass-Operationen und so weiter, die halte ich nicht für richtig. Sondern es wird ein großer Spezialisierungstrend eintreten in den nächsten Jahren. Und jeder wird das machen, was er gut kann.
Ich operiere sehr gerne ohne Herz-Lungen-Maschine und eigentlich zu 100 Prozent komplett arteriell, weil das aus meiner Sicht der Goldstandard in der operativen Versorgung der koronaren Herzkrankheit ist.
Die Arterie, insbesondere die Brustwandarterie, hat den großen Vorteil, dass sie praktisch unbegrenzt haltbar ist. Die Venen, die wir früher aus dem Bein, aus dem Unterschenkel oder Oberschenkel entnommen haben, halten ungefähr so 10 Jahre.
Nach 10 Jahren sind noch 60 Prozent offen und dann bröckelt das doch sehr weit ab, sodass nach 13, 14, 15 Jahren in der Regel alle Bypasses verschlossen sind. Und wenn man eine komplett arterielle Bypass-Operation durchführt, dann ist eine Folgeoperation in der Regel nicht erforderlich.
Also die komplett arterielle Revaskularisation bedient sich beider Brustbeinschlagadern. Wir haben zwei. Eine verläuft hier und die andere verläuft hier hinter den Rippen. Und wir benutzen die linke Brustbeinschlagader, die hier oben aus der Armarterie entspringt, belassen sie an ihrem Ursprung und präparieren sie auf kompletter Länge frei. Und zwar nur das reine Gefäß, also eine skelettierte Präparation. Dieses Gefäß verwenden wir für die Bypass-Versorgung der vorderen Koronaräste. Die rechte Brustbeinschlagader präparieren wir auch skelettiert komplett heraus, setzen hier oben Clips, unten Clips, nehmen das Gefäß heraus und implantieren das ungefähr auf der Hälfte der Strecke in die linke Ader hinein.
So wie in einem 90-Grad-Winkel, deswegen T-Graft. Und diese andere Schenkel läuft hintenrum ums Herz und versorgt von Gefäß zu Gefäß alle eingeengten und stenosierten Gefäße. Das ist eigentlich eine komplett arterielle Revaskularisation. 100 Prozent aller Patienten kann man aus meiner Sicht so versorgen.
Wir haben vor einigen Jahren das Deutsche Zentrum für arterielle Revaskularisation gegründet. Und der Grund ist, dass wir zum einen die Patientenversorgung verbessern wollen, aber auch natürlich unseren chirurgischen Nachwuchs helfen wollen, diese Methode zu erlernen. Und so führen wir jährlich einen Workshop durch und haben mittlerweile schon über 100 nationale und internationale Kollegen fortgebildet in dieser Technik, um auch dieses Verfahren auch weiter zu verbreiten.
Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Man muss sich freuen über die Erfolge des Anderen. Dass man nicht nur sich selber sieht und sagt, ich bin der Größte, ich mache jetzt alles. Sondern man soll sich freuen, wenn man neben sich gute Leute hat, die auch erfolgreich sind. Das ist das Schönste eigentlich.