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Fototermin an einem Nachmittag im August 2022: Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß, Chefarzt der Herzchirurgie im Albertinen Krankenhaus, lernt den 18-jährigen angehenden Maurer Mike von Böhlen kennen. Die beiden verbindet eine besondere Geschichte der Hoffnung, verknüpft durch Mikes Mutter Nadine. Nadine von Böhlen wird 1981 mit einem schweren Herzfehler geboren, die Ärzte geben ihr keine 24 Stunden. Doch sie überlebt und wird mit acht Monaten in London am Herzen operiert. Kaum 19 Jahre alt, folgt die zweite Herz-OP: Ihr wird eine mechanische Mitralklappe implantiert, sodass sie fortan auf Blutverdünner angewiesen ist.

Die Ärzte sagen, sie werde deshalb wohl keine Kinder bekommen können. Es ist ein Schock für die junge Frau aus Schleswig-Holstein. Ihr Vater recherchiert im Internet und stößt auf das Hamburger Albertinen Krankenhaus. In der Sprechstunde des damaligen gynäkologischen Chefarztes erfährt sie, dass eine Schwangerschaft bei zeitlich befristetem Ersetzen des Blutverdünners durch Heparin grundsätzlich möglich sei. Voraussetzung sei eine engmaschige Kontrolle der Gerinnungswerte durch ihren Hausarzt, um das Risiko eines Verschlusses der Klappe durch Blutgerinnsel zu verhindern.

Nadine von Böhlen wird schwanger. Doch etwas ist von Anfang an nicht in Ordnung. Ihr geht es immer schlechter, sodass sie in der 12. Schwangerschaftswoche in ein Krankenhaus gebracht wird. Dort wertet man die Schmerzen im Brustkorb und die Luftnot als Nebenwirkung der Schwangerschaft. Sie spürt, dass sie dem Tode nahe ist und bittet die anwesende Familie und ihren späteren Ehemann Matthias, sie sofort ins Albertinen Krankenhaus zu fahren.

Die dortigen Kardiologen sind angesichts der mittlerweile tiefblauen Verfärbung ihres Gesichts alarmiert und diagnostizieren, dass die künstliche Herzklappe nahezu komplett verstopft ist. „In einer solchen Situation kann nur eine sofortige Notoperation das Leben der Patientin retten. Es ging eher um Minuten als Stunden“, erinnert sich Prof. Rieß. Er teilt der sterbenskranken Frau mit, dass die OP sofort durchgeführt werden müsse und das Kind leider nahezu keine Überlebenschance habe. Nadine von Böhlen fleht den Herzchirurgen an, das Kind zu retten. „Ich wäre lieber gestorben, als mein Kind zu verlieren“, sagt sie in großem Ernst.

Rieß versucht den unmöglichen Spagat zwischen dem Mutterwohl und dem des Fötus, fährt die Medikation und die Belastungen durch die HerzLungen-Maschine auf ein Minimum herunter. In einer mehr als fünfstün– digen OP wird die mit Thromben fast vollständig verschlossene künstliche Herzklappe ersetzt. Ein Ultraschallbild nach der OP zeigt das Unglaubliche: Das Herz des Kindes schlägt. „Es ist für mich noch heute ein Wunder“, sagt Prof. Rieß.

Die Frage nach dem Kind ist die erste, die Nadine von Böhlen nach dem Aufwachen auf der Intensivstation stellt. Es lebt, sagen die zahlreichen um ihr Bett versammelten Ärztinnen und Ärzte. „Dieser Moment war unbeschreiblich, ich fühlte einfach alles: Glück, Erleichterung, Dankbarkeit und viel Liebe“, sagt sie tief bewegt.

Da unklar ist, ob die nach einer Herz-OP notwendigen Schmerzmittel dem werdenden Leben schaden könnten, besteht von Böhlen darauf, diese abzusetzen: „Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, dass das Kind gesund zur Welt kommt, nachdem die Ärzte so viel dafür getan hatten“.

Die Schmerzen sind unermesslich groß, die Hoffnung auf ein gesundes Kind ist größer. Ihr Partner, ihre Eltern und ihr Bruder sind abermals eine wichtige Stütze.

Der weitere Verlauf der Schwangerschaft ist zunächst unkompliziert, doch dann treten im siebten Monat Blutungen und zusätzlich Herzflimmern auf.

Nadine von Böhlen und ihr Sohn Mike
Nadine von Böhlen und ihr Sohn Mike

Dr. Uwe Herwig, Leitender Oberarzt in der Gynäkologie, rät dringend zu einem Notkaiserschnitt, den Oberarzt Dr. Andreas Gross durchführt. Am 26. April 2004 um 17:47 Uhr kommt Mike im Albertinen Krankenhaus gesund zur Welt und wird auf der Neugeborenen-Intensivstation weiter versorgt.

Dank einer Kooperation mit dem Altonaer Kinderkrankenhaus befindet sich die Station im Albertinen Krankenhaus. Derweil liegt Nadine von Böhlen auf der Intensivstation und kann ihr Kind vor einer weiteren Notoperation nur kurz sehen. Als es der Mutter besser geht und alles auf einem guten Weg scheint, erleidet ihr Sohn einen Lungenriss.

Erneut geht es um Leben und Tod, doch der Eingriff durch den Spezialisten aus dem Altonaer Kinderkrankenhaus ist erfolgreich. Fünf Tage bangen die jungen Eltern um ihr Kind, dann wird alles gut. Nadine von Böhlen und Prof. Rieß bleiben über all die Jahre in Kontakt, er wird über wichtige Meilensteine in Mikes Leben zuverlässig informiert. Ein Strampler als Geschenk der Ehefrau von Prof. Rieß hat einen Ehrenplatz im Haus.

Heute ist Mike ein aktiver und beliebter junger Mann, der mit Prof. Rieß an diesem Nachmittag schnell ins Gespräch kommt. Es ist zu spüren, dass die Familie in ihrer Herzlichkeit durch ein besonderes Band verbunden ist. „Wir führen ein tolles, erfülltes Leben. Nach Hoffnung kommt große Dankbarkeit“, sagt Nadine von Böhlen und lächelt.