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Mittelkürzung stoppen - Integrationshilfen für zugewanderte Menschen stärken
Anlässlich geplanter Mittelkürzungen informierte Carolin Wildt von der Immanuel Beratung Fischerinsel über die Aufgaben von Migrationsberaterinnen und Migrationsberatern als Lotsen durch die komplexe deutsche Behördenwelt.
Am vergangenen Donnerstag luden mehrere Träger der Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) und der Jugendmigrationsdienste (JMD) in Berlin-Mitte zu einem Netzwerktreffen in die Räume des Paul-Gerhard-Stifts. Anlass waren die geplanten deutlichen Mittelkürzungen für die Migrationsberatung im Bundeshaushalt 2024, der zurzeit im Bundestag verhandelt wird. Mitarbeitende verschiedener sozialer Träger sowie zahlreiche jüngere Menschen, die in den letzten Jahren nach Deutschland zugewandert sind, informierten über die verschiedenen Angebote der Migrationsberatung, typische Fälle aus der Praxis, die Schwierigkeiten und Fallstricke beim Umgang mit verschiedenen Behörden, Ämtern und anderen Einrichtungen. Sie stellten aber auch die Vorteile und Chancen vor, die sich bieten, wenn ein zeitnaher Zugang zu Arbeitsmarkt und Bildungssektor sowie eine Integration in die Gesellschaft gelingen. Unter den Gästen waren Mitglieder des Bundestags der Parteien SPD, Die Grünen und CDU/CSU sowie Vertreter*innen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Immanuel Beratung bietet Migrationsberatung an vier Standorten in Berlin und war mit der Migrationsberaterin Carolin Wildt von der Immanuel Beratung Fischerinsel sowie dem Geschäftsführer der Trägergesellschaft Beratung + Leben Andreas Mende beim Netzwerktreffen vor Ort. Mit einer Beraterin der Caritas informierte sie die Gäste am Stand über die Aufgaben von Migrationsberater*innen als Lotsen durch die komplexe deutsche Behördenwelt, die für zugewanderte Personen oftmals nicht nachvollziehbar ist und ein Sprachniveau voraussetzt, was viele in den ersten Jahren ihres Aufenthalts nicht haben können.
Kürzungen im Bundeshaushalt von rund 30 Prozent drohen für den Bereich Migration und Integration
Andreas Mende betonte, dass das Angebot der Migrationsberatung bereits jetzt nicht ausfinanziert ist. Mindestens 15 Prozent, häufig aber bis zu 40 Prozent, müssen die verschiedenen Träger bereits jetzt aus Eigenmitteln einbringen. Sollten die derzeit diskutierten Kürzungen im Bundeshalt 2024 für das Ressort des Bundesinnenministeriums im Bereich Migration und Integration von rund 30 Prozent (von 81,5 Mio. auf 57,7 Mio. Euro) beschlossen werden, wird dies zur Folge haben, dass sehr bald viele Stellen in der Migrationsberatung und im Jugendmigrationsdienst gestrichen werden und manche Träger dieses Hilfeangebot komplett einstellen müssen. Laut Mende sei die Migrationsberatung zudem die am stärksten regulierte, vom Gesetzgeber inhaltlich wie administrativ kontrollierte Beratungsleistung. Dies binde personelle Kapazitäten, anstatt den Fokus auf die Arbeit mit den Zugewanderten zu legen.
Die Migrationsberatung wurde erst in den letzten Jahren aufgebaut, auch weil es einen Rechtsanspruch auf dieses Angebot gibt. Jede Migrationsberaterin, jeder Migrationsberater betreut rund 200 Klient*innen pro Jahr - hinter dieser Zahl steht oftmals ein Partner oder eine Familie, sodass deutlich mehr Personen erreicht werden. Es hat sich in der Migrationsberatung ein unschätzbares Fachwissen angesammelt, wie Integration in Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt, in Sprache, Kultur und Gesellschaft gelingen kann. Zwei Beraterinnen des Jugendmigrationsdienstes berichteten, dass sich viele Zugewanderte später ehrenamtlich in der Integrationshilfe engagieren. Diese Menschen wissen, wie stark sie davon profitiert haben, dass sie jemand in der Zeit nach der Ankunft an die Hand genommen hat, ein offenes Ohr hatte und mögliche Wege der Integration aufzeigte. Eine ausgebildete Ingenieurin, die vor sieben Jahren nach Deutschland kam, betonte die Wichtigkeit passender Angebote und Integrationswege, damit Menschen eine echte Chance auf Integration hätten.
Weniger Geld für die Beratung und Integration von mehr Menschen
Die Zielgruppen der Migrationsberatungsstellen wurden in den letzten Jahren immer mehr erweitert. Inzwischen dürfen sie neben Menschen mit Aufenthaltserlaubnis auch Migrantinnen und Migranten im Asylverfahren oder mit einer Duldung beraten. Zudem ist durch den Krieg in der Ukraine die Gruppe der geflüchteten Menschen mit Aufenthaltserlaubnis stark gewachsen.
Carolin Wildt: „Das bedeutet steigende Beratungsanfragen für die MBE und JMD und ermöglicht gleichzeitig immer mehr Menschen, Unterstützung bei der Integration in Arbeit, dem Zugang zu Sprachangeboten und bei der Kommunikation mit Behörden und Regeldiensten zu erhalten. Wir begrüßen das. Denn für Deutschland ist dies eine Win-Win-Situation: Immer mehr Menschen können ihren Aufenthalt verfestigen, sind nicht mehr von Transferleistungen abhängig, erlernen Berufe oder lassen sich im Herkunftsland erlernte Berufe anerkennen, die in Deutschland dringend benötigt werden. Deshalb müsste das Beratungsangebot eigentlich ausgebaut werden. Wenn stattdessen nun genau diese Angebote der Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste gekürzt werden, schneidet sich die Gesellschaft ins eigene Fleisch.“
Statt einer Mittelkürzung und damit Gefährdung zahlreicher bestehender Hilfsangebote sei vielmehr eine Aufstockung der Mittel geboten. Vor dem Hintergrund der zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine stark gestiegenen Zuwanderung nach Deutschland müsse die vielerorts dünne Struktur an Integrationshilfen vielmehr gestärkt werden. Nur so kann eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingen und können die gesellschaftlichen wie volkswirtschaftlichen Folgekosten mangelnder Integration vermieden werden, so Diplom-Sozialarbeiterin/-pädgogin Wildt weiter.