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(Er-)Leben bis zum Schluss
In einem Erfahrungsbericht schildert eine ehrenamtliche Mitarbeiterin ihre Tätigkeit im Diakonie Hospiz Wannsee.
Auch in Pandemiezeiten erfahren die schwer kranken und sterbenden Gäste im Diakonie Hospiz Wannsee ein hohes Maß an Zuwendung und persönlicher Begleitung. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten die ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Beispielhaft für viele andere engagierte und motivierte Ehrenamtliche berichtet an dieser Stelle Sabine Grössel:
„Ich bin 60 Jahre alt und seit Oktober 2019 als ehrenamtliche Mitarbeiterin im stationären Hospiz tätig. Ich biete Hand-, Fußmassagen sowie Klangmassagen an, die ich individuell an die körperliche Verfassung meiner Gäste anpasse.
Ich begleitete eine Dame, auf deren Wunsch ich eine Hand- und Unterarmmassage mit anschließender Klangmassage kombiniert angewandt habe. Die Dame war schon sehr lange im Hospiz und wir sprachen bei unserem Kennenlernen darüber, dass wir alle ja Zeit unseres Lebens vor dem Tod stehen, wir ihn aber immer in weiter Ferne erhoffen. Im Hospiz aber weiß man, dass man sich gerade auf direktem Weg dorthin befindet. Und sie erzählte, dass ihr der Weg doch jetzt schon sehr lang und beschwerlich wird. Das Warten belaste sie. Viele Bekanntschaften, die sie im Hospiz gemacht hatte, seien nun schon alle vor ihr gegangen. Wir sprachen über die Trauer, das Loslassen und über das Gefühl, in dieser ´Warteschleife´ festzuhängen.
An einem der darauffolgenden Besuche dachte ich während meiner Anwendungen über den Sinn dieses langen Wartens auf das bevorstehende Lebensende nach, und auch über den Sinn meines Daseins in diesem Moment bei dieser gebenden Tätigkeit an ihrem Bett.
Zum Abschluss meiner Anwendungen - nach einer kurzen Nachspürzeit - sagte mein Gast zu mir:´Das ist wunderschön, so etwas habe ich noch nie erlebt und gefühlt. Es ist eine ganz neue Erfahrung für mich – ich danke Ihnen sehr.´
Da war sie – die Antwort auf meine Fragen nach dem Sinn.
Das´Leben bis zum Schluss´bedeutet nicht nur, ein gewohntes, vertrautes und bekanntes Leben weiterzuleben (worum wir Mitarbeitenden im Hospiz alle sehr bemüht sind, um Sicherheit, Geborgenheit und ein letztes Zuhause zu geben), sondern es bedeutet auch, Neues zu erleben und zu erfahren. Ob ein Pony am Bett zu Besuch ist, ein Bild zu malen, neue Menschen kennenzulernen, den Klang einer Klangschale zu hören und am Körper zu spüren - wir machen Erfahrungen in dieser Welt und lernen bis zum Schluss.
So kann manch langer Leidens- und Sterbeweg auch den Sinn haben, vor dem endgültigen Ende noch etwas zu (er-)leben, zu erlernen, zu erledigen, zum Abschluss zu bringen.
Ein Aspekt ist mir dabei wichtig zu erwähnen: Wenn sich ein mir anvertrauter Gast dann endgültig ´auf den Weg macht´und der eigentliche Sterbeprozess beginnt, nehme ich mein Angebot an körperlicher Erfahrung mehr und mehr zurück. Manchmal sind es nur noch sanfte Berührungen oder das Halten der Hände, bis zum Nur-noch-anwesend-sein, weil jetzt jede Körpererfahrung das Sich-lösen-vom-Körper, das Loslassen, stören würde.“
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